Hannover (dpa/lni) –
Angesichts der tödlichen Polizeischüsse in Oldenburg ist Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil offen für mehr Videoaufzeichnungen mit Bodycams. Es gebe, auch unabhängig vom Fall in Oldenburg, «sicherlich gewichtige Gründe» für einen Automatismus, der die Kameras aktiviert, sobald die Waffe gezückt wird, sagte der SPD-Politiker.
Eine solche automatisierte Auslösung der Bodycams wird nach Angaben des SPD-Landtagsabgeordneten Alexander Saade intensiv geprüft, wie die «Hannoversche Allgemeine Zeitung» berichtete. Auch die Grünen als Koalitionspartner der SPD sowie die Oppositionsfraktionen von CDU und AfD sind dem Bericht zufolge für eine entsprechende Reform des Polizeigesetzes.
Innenministerin: Zu früh für Konsequenzen
Innenministerin Daniela Behrens reagierte ebenfalls offen, will aber nichts überstürzen. Es sei «zu früh für politische oder gar gesetzgeberische Konsequenzen», sagte die SPD-Politikerin der Zeitung. Sollte sich aufgrund der Ermittlungsergebnisse jedoch Handlungsbedarf ergeben, könnte dieser im parlamentarischen Verfahren Berücksichtigung finden.
Polizeigewerkschaften für Transparenz
«Aus polizeilicher Sicht gibt es grundsätzlich keinen Grund, der gegen eine Dokumentation der Einsätze spricht», sagte der Landeschef der Gewerkschaft der Polizei, Kevin Komolka. «In vielen Fällen kann eine solche sogar wichtiges Beweismaterial darstellen.» Der Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Patrick Seegers, sagte: «Polizeiliches Handeln muss transparent sein.»
Weil: Rassismusvorwurf gegen gesamte Polizei unfair
Mit Blick auf den Fall in Oldenburg forderte Ministerpräsident Weil eine schnelle Aufklärung. «Was bei diesem schrecklichen Ereignis in Oldenburg passiert ist, das würde ich auch ganz gerne wissen, weil es so ganz und gar ungewöhnlich ist nach dem, was ich bis jetzt immer gehört habe aus Niedersachsen», sagte er. Ein genereller Rassismusvorwurf gegen die Polizei sei jedoch unfair gegenüber Tausenden Beamtinnen und Beamten, die ihren Job gut machten.
Mit Blick auf die Kundgebungen nach der Tat sagte Weil, viele Demonstranten seien dabei gewesen, um ihrer Betroffenheit Ausdruck zu verleihen. «Das finde ich auch ausdrücklich richtig.» Wenn andere aber davon ausgingen, dass es strukturellen Rassismus in der niedersächsischen Polizei gebe, könne er das nicht erkennen. Schon bei der Ausbildung neuer Polizistinnen und Polizisten werde in Niedersachsen intensiv darauf geachtet.
Bodycams waren im Fall Lorenz nicht eingeschaltet
Ein Polizist hatte in der Nacht zum Ostersonntag in der Oldenburger Innenstadt fünf Mal in Richtung des 21 Jahre alten Lorenz geschossen und diesen damit tödlich verletzt. Der 21-Jährige soll zuvor vor einer Diskothek Reizgas versprüht und mehrere Menschen leicht verletzt haben.
Laut Obduktion wurde Lorenz an der Hüfte, am Oberkörper und am Kopf verletzt. Drei Schüsse trafen ihn von hinten, ein vierter Schuss soll ihn am Oberschenkel gestreift haben. Der 27 Jahre alte Polizist wurde vorläufig vom Dienst suspendiert. Gegen ihn wird wegen Totschlags ermittelt.
Aufnahmen der Bodycams der Polizisten stehen nicht zur Verfügung, weil die Geräte nicht eingeschaltet gewesen seien, hieß es von den Ermittlern.
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