Gemischte Halbzeitbilanz für Niedersachsens Landesregierung

Die rot-grünen Ministerinnen und Minister stehen zur Halbzeit ihrer Regierungszeit unter wachsendem Druck. (Archivbild) Swen Pförtner/dpa
Die rot-grünen Ministerinnen und Minister stehen zur Halbzeit ihrer Regierungszeit unter wachsendem Druck. (Archivbild) Swen Pförtner/dpa

Hannover (dpa/lni) –

Es ist Halbzeit für die rot-grüne Koalition in Niedersachsen – und die Opposition stellt SPD und Grünen vor dem Machtwechsel von Stephan Weil zu Olaf Lies ein schlechtes Zeugnis aus. Die Landesregierung habe keinen Willen mehr, etwas im Land zu verändern, kritisierte CDU-Fraktionschef Sebastian Lechner. 

Nur rund 16 Prozent der im Koalitionsvertrag vereinbarten Maßnahmen sind laut einer Auswertung der CDU-Fraktion bislang umgesetzt worden. Lechner sprach von einem «Mehltau», der sich in den kommenden zweieinhalb Jahren Rot-Grün fortsetzen werde. Nachholbedarf sieht die CDU unter anderem bei der Digitalisierung und der Krankenhausversorgung.

Man sei noch längst nicht fertig mit dem Koalitionsvertrag, sagte Vize-Regierungschefin und Kultusministerin Julia Willie Hamburg (Grüne). Zudem gebe es Themen, die neu hinzukämen und auf die man dann regieren müsse. 

«Wir befinden uns in einer Wirtschaftskrise»

Niedersachsen habe in den vergangenen zweieinhalb Jahren viele Krisen durchgestanden, betonte auch Ministerpräsident Weil von der SPD – von der Energiekrise nach Russlands Angriff auf die Ukraine über das Weihnachtshochwasser 2023 bis hin zu Herausforderungen bei der Migration.

«Und last but not least: Wir befinden uns in einer Wirtschaftskrise», sagte Weil. Aber: Niedersachsens Wirtschaft entwickele sich deutlich besser als im Bund. Im ersten Quartal des laufenden Jahres sei die Wirtschaft um 1,4 Prozent gewachsen – das sei der größte Zuwachs unter allen 16 Ländern, sagte Weil. Er wolle dies nicht überbewerten, doch Niedersachsens Wirtschaft sei robust. 

Weil selbstkritisch: Schleppender Wohnungsbau «wurmt mich»

Trotzdem räumte der Regierungschef auch Fehler ein. Beim Wohnungsbau etwa wäre er «wirklich gerne weiter», sagte Weil. «Das wurmt mich. Ich kann es nur nicht ändern.» Natürlich müsse mehr bezahlbarer Wohnraum in Niedersachsen geschaffen werden, sagte der SPD-Politiker.

Doch trotz allem guten Willen und mobilisierter Gelder sei es am Ende an einer Sache gescheitert: Bauen sei schlichtweg zu teuer in Deutschland. Das Land könne zwar das Verfahren in vielen Punkten erleichtern, wie mit der Reform der niedersächsischen Bauordnung geschehen. «Aber es kann nicht die Standards verändern.» An dieser Stelle solle die Koalitionsvereinbarung im Bund ansetzen, so Weils Hoffnung. Mit realistischen Standards und seriellem Bauen könne viel mehr bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden, sagte Weil.

Kommunen finanziell am Limit

Viele Städte und Gemeinden stünden derweil kurz vor dem finanziellen Aus, warnte der niedersächsische Städte- und Gemeindebund (NSGB). Mehr als 360 Kommunen berichteten von fehlendem Geld für Schulen, Straßen und Feuerwehren sowie erschöpften Rücklagen und drohenden Haushaltssperren. NSGB-Präsident Marco Trips fordert daher dauerhaft mehr Geld vom Land, eine «ausreichende Mitfinanzierung» in Kitas und Ganztagsschulen und eine «verlässliche Übernahme» der Kosten für gesetzliche Aufgaben.

Auch der niedersächsische Städtetag forderte mindestens 700 Millionen Euro pro Jahr mehr aus dem Finanzausgleich. Außerdem fordern die Kommunen einen effektiven Bürokratieabbau. 

Kommunen spüren Folgen lahmender Wirtschaft

Weil sagte, er verstehe die Not der Kommunen. Doch bereits 34 Prozent des niedersächsischen Gesamthaushalts würden an die Kommunen abgeführt. Das sei in Deutschland der zweithöchste Wert, knapp hinter Baden-Württemberg.

Alle öffentlichen Haushalte seien von der gesamtwirtschaftlichen Lage abhängig. «Wenn die Wirtschaft jetzt im fünften Jahr vor sich hindümpelt, kann es nicht verwundern, dass wir das auch in den kommunalen Kassen zu spüren kriegen», sagte Weil. Gleichzeitig stiegen die Kosten.

Die neue Bundesregierung müsse über Konjunkturmaßnahmen daher dafür sorgen, «dass diese stagnierende Wirtschaft endlich wieder in den Vorwärtsgang schreitet», forderte Weil.

Was Gewerkschaften fordern

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) appellierte, die Landespolitik müsse weitere Vorhaben umsetzen, um Niedersachsen zu einem Land der guten Arbeit zu machen. So brauche es eine Ausbildungsplatzgarantie für junge Menschen sowie einen Ausbildungsunterstützungsfonds, sagte DGB-Bezirkschef Mehrdad Payandeh. Auch die Einführung eines Azubitickets lasse auf sich warten.

Neues Gesicht in der Landesregierung

In die zweite Halbzeit geht es für Rot-Grün mit einem neuen Gesicht: Am 20. Mai soll Wirtschaftsminister Olaf Lies auf Weil als Ministerpräsident folgen. Der Amtsinhaber, seit 2013 Regierungschef, hat seinen Rücktritt bereits eingereicht. Als eine seiner ersten Amtshandlungen schafft Lies das Europaministerium ab und integriert es in die Staatskanzlei – dort soll Melanie Walter als neue Ministerin von der bisher blassen Ressortchefin Wiebke Osigus übernehmen. Neuer Wirtschaftsminister wird SPD-Fraktionschef Grant Hendrik Tonne.

© dpa-infocom, dpa:250429-930-478309/2

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