Sendung «Gruß an Bord»: Verbundenheit über alle Weltmeere

Sendung «Gruß an Bord»: Verbundenheit über alle Weltmeere

Hamburg/Norddeich (dpa) –

Via Kurzwelle schickte an Heiligabend 1953 die Küstenfunkstelle Norddeich Radio in Ostfriesland erstmals eine Sendung in den Äther, ohne die für viele Menschen zu Wasser und zu Lande Weihnachten bald nicht mehr denkbar war. «Gruß an Bord» – ein stimmungsvolles, musikalisch umrahmtes Rundfunkereignis, bei dem Familien und Freunde schriftliche Festgrüße für Besatzungsmitglieder deutscher Schiffe auf allen Weltmeeren einsenden konnten. Legendäre Moderatoren mit Seebärenstimmen wie Hermann Rockmann und Herbert Fricke lasen die Botschaften dann vor. Und sorgten so zum Fest der Liebe für menschliche Nähe und Wärme zwischen Menschen, die sich oft monatelang nicht sehen konnten.

Die wohl älteste Radiosendung der Welt?

Manche Träne dürfte dabei geflossen sein. Seither hat sich die Seeschifffahrt und damit auch die Arbeit in den Häfen massiv verändert. Alles ist  größer, härter und schneller geworden. Und es gibt Handys, mit denen es sich fast überallhin telefonieren lässt. Doch eines ist geblieben: «Gruß an Bord» – manche glauben sogar, es könnte inzwischen die wohl älteste Radiosendung der Welt sein. Nach Abschaltung der Funkstation in Norddeich 1998 wird die Sendung heutzutage übertragen von NDR Info in Hamburg. 

Und weil es noch immer nicht überall Mobiltelefon-Empfang gibt, mietet der Sender eigens eine Kurzwelle hinzu. Am Mittwoch (24. Dezember) um 20.00 Uhr wird die neue Moderatorin Susanne Stichler die Hörer begrüßen.

Aufgezeichnet wurde die zweistündige Sendung bereits am 3. Advent im Seemannsmissionsheim Duckdalben in Hamburg inmitten der gigantischen Containerhafenanlagen. Viele Gäste waren dabei, darunter Bischöfin Kirsten Fehrs, Hamburgs Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard (SPD), Vize-Admiral Axel Deertz und der philippinische Seelsorger Amelito Bag-o. 

«Ich bin gehörig aufgeregt, weil ich zum ersten Mal hier bin und das Gefühl habe, dass mir eine große Tradition im Rücken hängt. Das ist ein schönes Gefühl, aber davor habe ich auch großen Respekt», sagt Susanne Stichler, bekannt als Moderatorin der ARD-«Tagesschau». 

Seeleuten Bühne und Wertschätzung geben

Es gibt Neuerungen in der Sendung, die der aktuellen Lage angepasst seien – eingespielte Reportagen, etwa über die Philippinen, woher heute die meisten Seeleute stammen, sowie thematische Blöcke. «Aufgrund der Globalisierung kommen 90 Prozent der Dinge, die uns umgeben, über die Meere zu uns. Da wollen wir auch mal in den Hintergrund der Arbeit von Seeleuten gucken, ihnen Bühne und Wertschätzung geben», betont die so professionell wie warmherzig wirkende Moderatorin.  

Im festlich mit Tannenbaum, kleinem Leuchtturm und Kerzen geschmückten Saal des Heims, einer diakonischen Einrichtung mit vielen Ehrenamtlichen, sorgen die Hamburger Ralf Lübke (Gitarre) und Frank Grischek am Schifferklavier für Musik. Statt Weihnachtsliedern erklingt etwa «All You Need Is Love» von den Beatles.

Doch natürlich werden wieder viele Grüße gesendet und persönliche Geschichten erzählt. Das Wort erhalten auch einige der gut 70 geladenen Besucher, die bei Lebkuchen und Spekulatius an langen Kaffeetafeln Platz genommen haben. Da grüßt etwa ein Ehepaar aus dem Raum Rostock seinen Sohn, der als Technischer Wachoffizier auf einem Mehrzweckfrachter Zellulose transportiert und erst Ostern wieder zu Hause sein wird. Erstaunen und Gelächter im Saal, als beide erzählen, dass die 16-köpfige Crew zu Weihnachten an Bord ein ganzes Schwein grillen will.

 

Ein herzhaftes «Moin von der Santos Express»

Einen Moment besonderer Rührung schafft die Moderatorin, als sie die Verbindung zu einem jungen Mann aus dem Alten Land auf erster großer Fahrt als Kapitän nach Südamerika herstellt. Dessen stolze Eltern berichten gerade vom zielstrebigen Werdegang ihres Juniors. Als plötzlich ein herzhaftes «Moin von der Santos Express» im Saal ertönt, jubelt die Mutter, «Das gibt’s nicht, Axel!» Die Schattenseiten an Bord wie die Einsamkeit, nicht nur zur Weihnachtszeit, und die sozialen Missstände, zu denen lange Arbeitszeiten und schlechte Bezahlung gehören, thematisieren die beiden Geistlichen – und Markus Wichmann von der Gewerkschaft Internationale Transportarbeiter-Föderation (ITF).

Auf See fahren aber nicht allein Frachtschiffe, auf denen wohl rund 4.000 sozialversicherte deutsche Seeleute arbeiten. An Bord arbeiten auch Angehörige der Marine, für die Korvettenkapitänin Michelle Niehage, Kommandantin des Tenders «Elbe», am Telefon ist – unterwegs in der Ägäis auf Nato-Mission mit dem Hauptauftrag Seeraumüberwachung, auch in Hinblick auf Schleuser-Aktivitäten. 

Dann gibt es Forschungsschiffe wie die gerade in der Antarktis tätige «Polarstern», von der ein Hendrik in bewegenden Worten seine große Liebe grüßt. Und Weltumsegler wie Lennart und Melvin, die beide gerade einen Mastbruch hinter sich haben. Sie vermelden vom Indischen Ozean: «Aufgeben gibt’s für uns nicht.»

Heiter, heimelig und sehnsüchtig

Bei alledem nicht zu vergessen: die Seenotretter. Die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) existiert seit 1865 – freiwillig, unabhängig und spendenfinanziert auf Nord- und Ostsee im Einsatz. Für sie ist Christian Stipeldey, Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, in der Leitung. 

Im Duckdalben auch mit dabei: Drei Mütter, deren Kinder mit 31 weiteren Jugendlichen, Lehrern und Crew-Mitgliedern auf der «Thor Heyerdahl» fahren – einem Dreimast-Segelschulschiff von 1930 mit Heimathafen Kiel. Von dieser Unternehmung «Klassenzimmer unter Segeln» zeigen sich die Frauen begeistert. Falls sie Ängste haben, zeigen sie es jedenfalls nicht.

Die Atmosphäre unter den Menschen im Seemannsmissionsheim, die durch eine Fensterfront auf riesige Ladekräne blicken können, ist heiter, heimelig und manchmal ein wenig sehnsüchtig. Trotz der vielen teilweise herben Sachinformationen, die die Sendung nun auch bietet. All das könne ein Handygespräch nicht ersetzen, ist Stichler überzeugt. «Ich glaube, dass die Familien auch eine Art Gemeinschaft sind – die einander brauchen, um gemeinsam durchzustehen, dass die Väter, die Söhne, die Töchter eben nicht da sind», sagt die Moderatorin.

© dpa-infocom, dpa:251219-930-444333/1

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