Korruptionsprozess gegen inhaftierten Staatsanwalt beginnt

Ein Staatsanwalt soll eine Kokain-Bande vor einer Razzia gewarnt haben. Jetzt steht der 39-Jährige in Hannover vor Gericht. (Archivbild) Julian Stratenschulte/dpa
Ein Staatsanwalt soll eine Kokain-Bande vor einer Razzia gewarnt haben. Jetzt steht der 39-Jährige in Hannover vor Gericht. (Archivbild) Julian Stratenschulte/dpa

Hannover (dpa) –

Ein Staatsanwalt aus Hannover soll gegen Geld Informationen aus Ermittlungsverfahren an eine internationale Kokain-Bande weitergegeben und sie vor einer Razzia gewarnt haben. Von diesem Mittwoch (9.00 Uhr) an muss sich der 39 Jahre alte Jurist vor dem Landgericht Hannover verantworten. Der Mann sitzt seit Ende Oktober 2024 in Untersuchungshaft. Konkret vorgeworfen werden ihm 14 Fälle von besonders schwerer Bestechlichkeit sowie Verletzung des Dienstgeheimnisses und Strafvereitelung im Amt.

Gewarnt von ihrem Informanten in den Behörden sollen sich führende Köpfe der Kokain-Bande ins Ausland abgesetzt haben. Die meisten sind bis heute nicht gefasst. Der Dezernent aus der Betäubungsmittel-Abteilung der Staatsanwaltschaft Hannover soll 65.000 Euro von den Kokain-Händlern angenommen haben.

«Die aktuellen Anklagevorwürfe werden von meinem Mandanten vollständig bestritten», sagte Verteidiger Timo Rahn vor Prozessbeginn der dpa. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Boxtrainer mitangeklagt wegen Beihilfe zur Bestechung

Mitangeklagt wegen Beihilfe zur Bestechung ist ein 41 Jahre alter Boxtrainer, der in zwölf Fällen als Mittelsmann fungiert haben soll. Die Taten sollen sich zwischen Juni 2020 und März 2021 ereignet haben. 

Der Prozess startet unter verschärften Sicherheitsvorkehrungen. Medienvertreter, Zuhörer und Prozessbeteiligte werden durchsucht, bevor sie den Schwurgerichtssaal betreten dürfen. Hier saß der 39-Jährige bisher als Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft an der Fensterseite. Nun nimmt er erstmals auf der Anklagebank Platz. 

Die Anklage hat die Staatsanwaltschaft Osnabrück erhoben. Sie übernahm Ende vergangenen Jahres das Verfahren von der Staatsanwaltschaft Hannover, die zuvor lange gegen den mutmaßlich korrupten eigenen Kollegen ermittelt hatte.

Schon früh Hinweise auf Leck in den Behörden

Hinweise auf ein Leck in den Behörden gab es schon früh. Im Februar 2021 waren 16 Tonnen Kokain im Hamburger Hafen entdeckt worden – ein Rekordfund mit einem Marktwert von rund 448 Millionen Euro. Die Drogen waren in Dosen mit Spachtelmasse versteckt. Wenig später organisierte das Landskriminalamt (LKA) Niedersachsen eine bundesweite Razzia, jedoch war eine Vielzahl der Beschuldigten verschwunden. Ein Hauptverdächtiger setzte sich nach Dubai ab.

Schon im Juni 2022 wurde ein Ermittlungsverfahren gegen den jetzt angeklagten Staatsanwalt eingeleitet, im November 2022 durchsuchten Fahnder seine Wohnung und seine Diensträume. Das Verfahren wurde im Oktober 2023 eingestellt – laut niedersächsischem Justizministerium, weil sich der Anfangsverdacht zunächst nicht erhärtet habe. 

Noch keine Zeugen für ersten Prozesstag geladen

Das LKA suchte aber auch nach Einstellung des Verfahrens weiter nach dem Maulwurf in den Behörden. Laut Justizministerium kombinierten die Beamten die bisherigen Beweismittel mit neuen Indizien, sodass im Juni 2024 das Verfahren gegen den Staatsanwalt wiederaufgenommen wurde.

Für den Prozess sind zunächst 21 Verhandlungstage angesetzt. Nach dieser Planung könnte das Urteil am 12. September gesprochen werden. Für den ersten Prozesstag sind laut einem Gerichtssprecher noch keine Zeugen geladen. Im Falle einer Verurteilung drohen bei Bestechlichkeit in einem besonders schweren Fall Freiheitsstrafen zwischen drei Monaten und fünf Jahren.

© dpa-infocom, dpa:250423-930-459021/1

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