Hannover/Bergen (dpa/lni) –
Vor der Gedenkfeier zum 80. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Bergen-Belsen wächst Protest gegen die Auswahl der Redner. «Von einigen Seiten sind jetzt Protestaktionen im Zusammenhang mit der Gedenkveranstaltung angekündigt worden», teilte die niedersächsische Staatskanzlei mit. Für die Gedenkzeremonie am Sonntag seien nicht primär Verbände, sondern einzelne Überlebende um Wortbeiträge gebeten worden.
Die Organisation der Bergen-Belsen-Überlebenden in Israel wirft den Veranstaltern vor, ihren Verband zu boykottieren. Ein Vertreter dürfe bei der Feier nicht reden, kritisierte der Vorsitzende der Organisation, Arie Olewski. Bergen-Belsen werde zum ersten Mal seit 80 Jahren aus politischen Gründen entweiht. Nach Angaben der Staatskanzlei will Olewski unter anderem kritische Schilder am Eingang der Gedenkstätte aufhängen.
56 Überlebende sollen im Mittelpunkt stehen
Außerdem zeigte sich Olewski von der Größe der Zeremonie enttäuscht, er habe anlässlich des 80. Jahrestags ein «Großereignis» erwartet. Hunderte Familien hätten teilnehmen sollen. Von den Veranstaltern heißt es, 56 Überlebende und ihre Angehörigen sollen im Mittelpunkt stehen. Das Land und der Bund übernehmen eigenen Angaben zufolge die Reise- und Aufenthaltskosten der anreisenden Überlebenden und jeweils einer Begleitung.
Weiterer Protest richtet sich angesichts des Gaza-Kriegs gegen den israelischen Botschafter Ron Prosor und Großbritanniens Vize-Premierministerin Angela Rayner, die beide ein Grußwort halten sollen. Laut der Staatskanzlei hat eine Überlebende angekündigt, während dieser Reden aufzustehen und zu gehen.
Regierungssprecherin: Gedenkfeier soll in Würde stattfinden
Inzwischen seien weitere Proteste angekündigt worden, sagte eine Sprecherin der Landesregierung. Diese Aktionen sollen nicht auf dem eigentlichen Gelände, sondern auf dem Anne-Frank-Platz vor der Gedenkstätte stattfinden. «Es ist nicht so, dass Proteste unterdrückt werden sollen, aber die Gedenkfeier selber soll möglichst ruhig und in Würde stattfinden», sagte die Sprecherin.
Die Veranstalter bitten darum, das Gedenken nicht zu stören. «Bei allem Respekt vor der Meinungsfreiheit bitten wir, die Ehre der Toten zu achten», hieß es weiter. Man behalte sich ausdrücklich vor, etwaige Protestaktionen zu unterbinden.
Das Konzentrationslager Bergen-Belsen war am 15. April 1945 von der britischen Armee befreit worden. Etwa 53.000 Menschen wurden befreit, doch für viele kam die Hilfe zu spät. Auch die für ihr Tagebuch bekannte Anne Frank liegt in einem der Massengräber. Insgesamt starben im Lager und unmittelbar nach der Befreiung rund 52.000 Menschen, hinzu kommen fast 20.000 Tote im angrenzenden Kriegsgefangenenlager.
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